„Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte.“ Mit der rauen Romantik eines beliebten Piratenlieds hat modernes Bart-Styling nichts (mehr) zu tun: Da wird millimetergenau getrimmt, gestutzt, frisiert, geölt – der Bartträger von heute achtet auf sich, pfleglich und optisch. Umso mehr, wenn ein Bewerbungsgespräch ansteht. In seinem Barber-Shop „Rockabilly & Gents“ bringt Dominik Sardella Bewerber und Bärte in Form und macht sie fit für den neuen Job.
Schnauzer, Kinnbart, Backenbart oder Vollbart – seit vor allem Hollywood-Stars das tägliche Rasieren aufgegeben, und durch eine intensive Beschäftigung mit der Gesichtsfrisur ersetzt haben, liegt der Bart wieder voll im Trend. Solcher Haarwuchs im Gesicht will gepflegt sein, oft noch mehr als das Haupthaar. Immer häufiger suchen deshalb Bart-Neulinge Rat und Hilfe bei Dominik Sardella und seinem Kollege Reinhold Mutsch vom Barber-Shop „Rockabilly & Gents“ in Schorndorf.
"Traditionell würde man uns wohl als Herrenfriseur bezeichnen“, vermutet der 36-Jährige, der seit 2017 das Geschäft führt. „Tatsächlich sind wir ein klassischer Barber-Shop. Andere nennen sich oft nur deshalb so, weil das gerade in ist.“ Genauso präzise wie seine Schnitte setzt Sardella auch maskuline Akzente im Salon: An der Wand dreht sich ein rot-weiß-blauer „Barber Pole“ im Schorndorfer Fachwerk-Flair, die Schürzen der Barbiere sind aus dunklem Leder, die „Instrumente“ auf dem Tisch sind angeordnet wie im Operationssaal – Messer, Aufsätze, Kämme.
Die „old school“ wird getrimmt auf „new school“, Zausel- und Hipster-Bart sind passé. Stattdessen genießen Männer hier die Pflege von Bart und Ego.
Vor fünf Jahren, inspiriert durch die Hollywood-Stars bei der Oscar-Verleihung, entschied sich Sardella selbst für einen Bart. Durch das umfangreiche Angebot – immer mehr Barber-Shops boten ihre Dienste vor allem jungen, stilbewussten Südländern an – kamen immer mehr Männer auf den Geschmack. „Je mehr Salons es gab, desto mehr kam der Bart wieder in Mode.“ Während in „gemischten“ Salons die Rasur gerne mal wegfällt, sich die Barbiere gezielt um die vernachlässigte männliche Eitelkeit. Die Kunden genießen das – bis in die Bartspitzen!
André Wolters ist Bestattungsunternehmer, sehr auf Stil und Styling bedacht. Er trägt Bart aus Überzeugung: „Bestimmt schon seit zehn Jahren – einfach, weil es mir gefällt.“ Bei „Rockabilliy & Gents“ ist er Stammgast, denn: „Bart tragen ist ein Privileg: Es sieht gut aus, es unterstreicht die Männlichkeit, man kann wirklich was für sich tun.“ Als selbstständiger Unternehmer führt Wolters auch selbst Bewerbungsgespräche. Und er sieht es sofort, wenn sein Gegenüber sich gehen lässt. „Wenn ein Bart gepflegt ist, macht das gleich einen viel besseren ersten Eindruck.“ Zudem lasse ein Bart Rückschlüsse auf den Charakter zu: „Bart tragen ist Lifestyle: Wer einen hat, der pflegt ihn, legt Wert auf sich selbst – da steckt viel Arbeit dahinter. Es ist wie eine Art Philosophie, eine innere Einstellung.“
Sitzt ein zukünftiger Azubi oder Lehrling auf seinem Stuhl, erkundigt sich Sardella zunächst nach dessen angestrebtem Berufsfeld. „Das ist eines meiner Lieblingsthemen!“ Je nach Branche spricht er seine Empfehlung aus. Mitunter sogar, den Bart abzunehmen. „Generell ist er wieder gesellschaftsfähig. In eher konservativen Branchen kann es mit Bart aber noch schwierig werden.“ Meistens sei es zwar mit einer Kürzung samt Styling schon getan. „Für den ersten Job oder eine Ausbildungsstelle ist es aber für Bartträger auf jeden Fall ratsam, sich vorher nochmal gezielt beraten zu lassen, ein bestimmtes Styling anzustreben, den Bart je nach angestrebtem Beruf etwas anzupassen.“
Ein Bart erfordert viel Geduld und Präzision. „Man muss ihn zunächst eine Weile wachsen lassen, immer etwas dafür tun. Es ist anstrengend und gewöhnungsbedürftig.“ Regemäßige Besuche beim Barbier, der die Form, die Kontur-Linien und die Symmetrie korrigiert, sowie ein tägliches Pflegeprogramm sind unerlässlich. Das geht in etwa so: „Duschen mit Bart-Shampoo, danach handtuch-trocken reiben. Es folgt ein Bart-Öl, alles wird mit einer Bart-Bürste gekämmt, dann trocknet es an der Luft oder mit dem Fön. Danach kommt ein Bar t-Balsam drauf. Und wer übertreiben möchte, „so richtig fresh“ aussehen will, gibt Bart-Wachs auf den Mustasche und stylt ihn zurecht. Das sieht spitze aus!“ Das Pflegeprogramm legt Sardella je nach Wunsch-Bart gemeinsam mit dem Kunden fest.
„Ich bin gerne hier, genieße dieses Flair, fühle mich sehr wohl“, beteuert André Wolters, der entspannt in seinem Stuhl lümmelt, während Sardella seine Bart-Kreation perfektioniert. Vorneweg werden die Wangen kurz rasiert, „sonst gerät das Gesicht so aus der Form“. Erst zum Kinn hin lässt Sardella die Haare wieder stetig länger.
Sobald alle Haare getrimmt sind, macht sich der Barbier an die Kontur. „Macht man das mit längeren Haaren, wird es ungenau.“ Eine komplette Pflege für Schopf und Bart dauert etwa eine Stunde. Derweil wird unter den Bartträgern eifrig philosophiert und diskutiert, gefachsimpelt und geschwärmt. „Echte Männergespräche eben!“ – So müssen Männer mit Bärten sein!
Dein MoJo für die Jobsuche